Dr. Andreas Thiel über Zuständigkeiten und Zukunftsvisionen am Heidengraben
Doktor Andreas Thiel ist Oberkonservator im Referat für Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Stuttgart und von Seiten des Landes für den Teil des Heidengrabens zuständig, der im Landkreis Esslingen also auf der Gemarkung von Erkenbrechtsweiler, liegt. Der 47-jährige gebürtige Erlanger hat in München in Provinzial-Römischer Archäologie promoviert und ist der Überzeugung, dass es am Heidengraben noch viel zu entdecken gibt: „Es wäre eigentlich eine Überraschung, wenn bedeutende gesellschaftliche Strukturen am Heidengraben nicht nachweisbar wären“, sagte Andreas Thiel im Gespräch mit Kerstin Dannath.
Herr Thiel, da sich der Heidengraben über zwei Landkreise zieht, sind auch zwei Regierungspräsidien in Sachen Denkmalpflege zuständig. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Andreas Thiel: Unser Zuständigkeitsbereich bezieht sich nur auf die Gemarkung Erkenbrechtsweiler, die ja zum Landkreis Esslingen gehört. Das ist der wesentlich kleinere Anteil am Gebiet des Heidengrabens. Da das Regierungspräsidium Tübingen die größere Fläche hat, sehe ich die Hauptzuständigkeit dort, sprich bei Doktor Frieder Klein. Er ist auch schon viel länger als ich in der praktischen Denkmalpflege und auf dem Gebiet des Heidengrabens tätig, auf seine Erfahrung kann man bauen. Bei diversen Projekten, die das Gebiet betreffen oder auch bei herausragenden Funden, stimmen wir uns eng ab.
Wie muss man sich das praktisch vorstellen?
Andreas Thiel: Bei Veranstaltungen sprechen wir uns ab, wer den Termin wahrnehmen kann. Wir müssen unsere Kapazitäten – die nie wirklich ausreichen – teilen. Bis zur Verwaltungsreform 2004 waren wir eine gemeinsame Behörde und den kollegialen Austausch in Fachfragen pflegen wir nach wie vor. Beim aktuellen Tagesgeschäft sind die Zuständigkeiten aber ganz klar verteilt: Bei Neubauvorgängen in Erkenbrechtsweiler, bin ich es, der ein Gutachten und eine Stellungsnahme im Vorfeld abgeben muss. Meine Zuständigkeit endet aber an der Grenze zum Landkreis Reutlingen.
Welches war Ihr erstes Projekt am Heidengraben?
Andreas Thiel: Das war die Sanierung des nachgebauten Tores G am Ortseingang von Erkenbrechtsweiler im Jahr 2008. Die bestehende Rekonstruktion war nach 25 Jahren baufällig geworden und musste erneuert werden.
Was könnte auf dem Gebiet des Heidengrabens noch im Boden schlummern?
Andreas Thiel: Bei ein Anlage dieser Größe ist es vorstellbar, dass man tatsächlich ein wirtschaftliches und kultisches Zentrum nachweisen könnte. Im Heidengraben müssen viele Vorratsgebäude gestanden haben – allein das zur Lagerung bestimmte Material wie die vielen Amphoren, die bereits gefunden wurden, lässt eigentlich nur diesen Schluss zu. Wenn man vergleichbare keltische Anlagen anschaut, wie zum Beispiel in Manching bei Ingolstadt, kann man Rückschlüsse ziehen. Dort sieht man, dass nicht alle nachgewiesene Gebäude reine Wohnhäuser waren. Ebenfalls wurden dort Nachweise gefunden, dass die Siedlung geplant war und zum Beispiel ein rechtwinkliges Straßennetz besaß und nicht nur ein zusammengewürfelter Haufen von Gebäuden war.
Und ähnliche Entdeckungen wären am Heidengraben möglich?
Andreas Thiel: Die Qualität der bisherigen Funde am Heidengraben und die gewaltigen Gräben und Wälle, setzen eine gewisse Organisation und Struktur der Gemeinschaft voraus. Es wäre eigentlich eine Überraschung, wenn bedeutende gesellschaftliche Strukturen am Heidengraben nicht nachweisbar wären. Allerdings braucht man große Flächen, die man öffnet, um zu das zu erforschen. Doch das kostet Geld und man würde auch viel zerstören. Dafür gibt es aber am Heidengraben keine Notwendigkeit, man muss dort keine Notgrabung durchführen. Wir setzen unsere Hoffnungen auf zerstörungsfreie Methoden wie geophysikalische Messungen.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft des Heidengrabens als archäologisches Kulturdenkmal?
Andreas Thiel: Man muss den Heidengraben besser touristisch erfahrbar machen. Eine Möglichkeit wäre ein Besucherzentrum, dass für ein so bedeutendes Kulturdenkmal wie der Heidengraben eigentlich ein Muss wäre. Da zu brauchen wir aber Partner vor Ort, die wir mit dem Förderverein für Archäologie, Kultur und Tourismus (FAKT) dort auch glücklicherweise haben. Wir stellen unser Fachwissen gerne zu Verfügung, aber unser Tagesgeschäft darf nicht leiden. Unser Kerngeschaft ist in erster Linie das Erhalten und Bewahren, nicht das Vermitteln – dazu sind wir von unseren personellen Kapazitäten auch zu schwach aufgestellt. Das ist die Aufgabe von den Menschen und den Gemeinden, die es direkt betrifft. Wenn wir aber feststellen, dass sich vor Ort etwas bewegt, helfen wir gerne.
Das Interview führte Kerstin Dannath
Foto: PR
Das Interview ist in Alb Magazin Heidengraben im Oktober 2011 veröffentlicht.