Wie wohnten die Kelten?

Wie wohnten die Kelten? Ein Jahrtausend Siedlungsgeschichte vor den Römern

Über einen Vortrag von Prof. Dr. Martin Bartelheim in Erkenbrechtsweiler im Rahmen des Keltenjahres 2012

Die keltische Siedlungsgeschichte beginnt nach der späten Bronzezeit (ca. 1300 bis 800 v. Chr.) unter anderem mit ihren Feuchtbodensiedlungen wie zum Beispiel den markanten Pfahlbauten am Bodensee, und gliedert sich zeitlich in zwei Bereiche: Da wären zum einen die Siedlungen der älteren Eisenzeit, auch als Hallstattzeit (ca. 800 bis 500 v. Chr.) bekannt, und die der jüngeren Eisenzeit bzw. der sogenannten Latène-Zeit (ab etwa 500 v. Chr. bis zur Zeitenwende).

Da es mit schriftlichen und auch sonstigen Zeugnissen der Siedlungskultur aus den beiden letztgenannten Perioden relativ schlecht aussieht, gewinnt die Wissenschaft die meisten Erkenntnisse aus der Untersuchung der spätbronzezeitlichen Feuchtbodensiedlungen. „Das ist ein echter Schatz für die Archäologie“, bestätigt Prof. Dr. Martin Bartelheim vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters von der Universität Tübingen. Denn die Holzkonstruktionen erhielten sich unter feuchten Bedingungen so gut, dass das Material unter Luftabschluss regelrecht konserviert wurde. Die Befunde lassen Rekonstruktion von Gebäude- und ganzen Siedlungsgrundrissen zu, was wiederum auf andere Gebiete und auch zeitliche Perioden übertragen wurde.

Besonders viele Überreste von Feuchtbodensiedlungen gibt es am Federsee, am Bodensee sowie an diversen Schweizer Seen. Die verwendeten Hölzer waren hier zum Teil so gut erhalten, dass per Dendrochronologie eine exakte Datierung, wann die Bäume gefällt wurden, möglich war. Besonders typisch für die Feuchtbodensiedlungen ist eine eher kurze Nutzungsdauer der Häuser und deren häufige Neukonstruktion. Des weiteren lassen weitere Holzfunde – Dinge des täglichen Lebens etwa oder auch organische Materialien – weitere Schlüsse zu. „Anhand der Pflanzenreste kann man zum Beispiel Erkenntnisse hinsichtlich der Nahrung gewinnen. Das führte zum Beispiel zu der Annahme, dass die Kelten bereits den Anbau von Hülsenfrüchten in größerem Stil betrieben“, sagt Martin Bartelheim. So ist eine Rekonstruktion von Wirtschaft und Umwelt bis hin zum Klima möglich.

Ein echtes Schatzkästchen also, nicht umsonst wurden am 27. Juni 2011 alle Pfahlbauten im Umkreis der Alpen unter dem Namen „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ in das UNESCO-Welterbe aufgenommen. Dabei handelt es sich um 111 Siedlungsorte in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Slowenien sowie alle weiteren bekannten oder noch entdeckten Pfahlbausiedlungen als assoziierte Stationen.

Nur wenig Überreste

Flachlandsiedlungen keltischen Ursprungs stehen dazu in krassem Kontrast: Es erhielten sich nur Reste von Pfostenlöchern und zum Teil Feuerstellen. Holzreste sind meist unbrauchbar und die Oberfläche ist zudem durch den Pflug zerstört. „Flachlandsiedlungen konnten nur rekonstruiert werden, da man die Erkenntnisse aus den Feuchtbodensiedlungen hatte“, sagt Experte Bartelheim. Es ist davon auszugehen, dass diese Siedlungen ebenfalls eher ländlichen Charakter hatten und weit davon entfernt waren, riesigen Menschenmassen Schutz zu bieten.

Auch von den meisten umfriedeten Höhensiedlungen aus der späten Bronzezeit – sie wurden wohl zunächst als Zufluchtsort für die normale Bevölkerung in Krisenzeiten aber auch als Opfer- und Kultplatz genutzt – gibt es keine genaueren Erkenntnisse.

In der frühen Eisenzeit wurden Höhensiedlungen oftmals zu einem „Fürstensitz“ wie die Heuneburg oder dem Hohenasperg ausgebaut. Hier gibt es nun endlich eine große Befundlage mit Keramik-, Schmuck- oder auch Waffenresten, in der Umgebung wurden obendrein vielfach Prunkgräber mit reichen Goldfunden lokalisiert. Eines haben fast alle dieser „Fürstensitze“ gemeinsam: Sie lagen an günstigen Wasserwegen, die sie über verschiedene Flussläufe mit dem Mittelmeer verbanden. Aufschluss über die eigentliche Siedlung geben aber wiederum nur klägliche Reste des Baumaterials und eben Pfostenlöcher.

Zahlreiche Oppida-Gründungen in spätkeltischer Zeit

Das Ende dieser Kultur lässt sich etwa auf das Jahr 450 v. Chr. mit dem Übergang zur Latène-Kultur datieren. Es tauchen Funde etruskischen Ursprungs auf, die eine (neue) transalpine Verbindung vermuten lassen. Zudem gibt es vermehrt Überreste von Flachlandsiedlungen des einfachen Volkes wie Gehöfte und Weiler.

Ab dem 2. und 1. Jahrhundert vor Christus kommen Viereckschanzen auf: Deren Deutung ist zwar nicht abschließend geklärt, vieles lässt aber vermuten, dass Viereckschanzen einen landwirtschaftlichen Ursprung hatten und später zu einer Art „Herrensitz“, durchaus mit Versammlungs- und Kultcharakter, ausgebaut wurden.

In spätkeltischer Zeit gründeten die Kelten nun endlich auch Städte, sogenannte „Oppida“.

Der Begriff geht auf Gaius Julius Caesar zurück. Er beschrieb in seinem „Gallischen Krieg“ damit gallische Schanzanlagen. „Oppida“ waren in ganz West- und Mitteleuropa verbreitet. Charakteristisch sind vor allem die Befestigungen durch eine mit Erde oder Steinen verfüllte Schalmauer aus Holz.

Eines der am besten untersuchten „Oppida“ ist Manching in der Nähe von Ingolstadt. Die Siedlung wurde im 3. Jahrhundert v. Chr. gegründet und bestand bis 50−30 v. Chr. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. erreichte das Oppidum seine größte Besiedelungsdichte und Ausdehnung mit einer Fläche von 380 Hektar. Zu dieser Zeit lebten 5000 bis 10 000 Menschen innerhalb der Stadtmauer, die eine Länge von rund 7,2 Kilometer aufwies.

Über die Infrastruktur ist wenig bekannt

Oppida“ werden zwar oft als frühe stadtartige Siedlung bezeichnet, über ihre Infrastruktur ist aber wenig bekannt. Wie Ausgrabungen in Manching, auf dem Titelberg in Luxemburg und in Bibracte in Frankreich zeigen, weisen zumindest einige eine dichte und regelmäßige Innenbebauung auf. Konzentrationen mediterraner Importe wie Amphoren weisen auf die Bedeutung dieser Siedlungen im Handelsnetz der Latène-Zeit hin. Oft sind die „Oppida“ auch mit Heiligtümern, vielfach älteren Ursprungs wie auch der Burrenhof auf dem Heidengraben, verbunden. Die topographische Lage der „Oppida“ war stets bestechend an strategisch günstigen Orten gelegen. Neben den vielfältigen Handelsbeziehungen und ist auch eine zunehmende Spezialisierung und Differenzierung der ansässigen Handwerker feststellbar. „Ein Oppidum war erstmals ein Ort, der sich nicht selber versorgen musste, sondern Handel treiben und sich auf Produktion außergewöhnlicher Güter wie Eisen spezialisieren konnte“, sagt Martin Bartelheim.

Diese „keltische“ Entwicklung wurde allerdings durch den Einfall der römischen Legionen um die Zeitenwende drastisch unterbrochen. Und als die Römer bis zum 3. Jahrhundert wieder abzogen, gab es einen Rückfall in prähistorische Verhältnisse: Keine Oppida, keine prunkvollen römischen Villen mehr – Mitteleuropa arbeitete sich erst ab dem Mittelalter siedlungstechnisch langsam wieder nach vorne.

Text: Kerstin Dannath