„Kult und Macht: Das Oppidum Heidengraben, ein bedeutender Zentralort der keltischen Zeit“

Die Kelten oder Gallier sind nicht als ein Volk im Sinne einer Staatsgemeinschaft zu betrachten, vielmehr unterteilten sie sich in viele Stämme und agierten keineswegs als Einheit. Und die einzelnen Stämme waren sich untereinander alles andere als grün und haben sich häufig bekriegt. „Die Kelten waren ziemliche Haudraufbolde“, sagt Archäologe und Heidengrabenexperte Gerd Stegmaier. Die Kelten glaubten wohl an einer Art der Reinkarnation und ihre größte Befürchtung war – wie von Alexander dem Großen überliefert – tatsächlich, das ihnen der Himmel auf den Kopf fiele. Ab dem 4. und 3. Jahrhundert vor Chr. breiteten sich die Kelten in ganz Europa aus, im Osten bis nach Kleinasien, im Westen über die iberische Halbinsel bis auf die britischen Inseln. Der Heidengraben zwischen den heutigen Ortschaften Grabenstetten, Erkenbrechtsweiler und Hülben lag inmitten eines Siedlungsgebiets, das die Kelten in der Laténe-Zeit (ab zirka 450 v. Chr.) intensiv besiedelten und in dem sie im 2. Jh. v. Chr. zahlreiche Oppida (von lat. Oppidum = befestigte Anlage) wie Manching, Kelheim oder Bibracte gründeten.

Der Heidengraben mit seinen mehr als 1600 Hektar war in Mitteleuropa vermutlich das größte von ihnen. Er war von allen Seiten gesichert und innerhalb des Gebietes gab es mit der Elsachstadt nochmals ein separat abgeriegeltes Areal von 150 bis 160 Hektar. Befestigt war der Heidengraben neben dem Albtrauf auf der einen Seite durch Pfostenschlitzmauern, an die rückseitig eine Erdrampe angeschüttet war. Die Mauerfront bildete eine Kalksteinverblendung – heute sind davon nur noch mit Gras bewachsene Wälle zu sehen. Den einzigen Zugang bildeten diverse Zangentore, die es – wie der Name schon sagt – etwaigen Angreifern sehr schwer machten, in das Gebiet einzudringen.

Der Heidengraben lag aber keineswegs völlig abgeschieden auf der Albhochfläche, er war vielmehr Kreuzungspunkt wichtiger Verkehrswege und Fernhandelsrouten. Der Transport von Gütern und Waren von Westen war über Rhein und Neckar gewährleistet, nach Süden ist anzunehmen, dass es eine Route direkt über die Schwäbische Alb gab. Mit seiner strategisch wichtigen Position zwischen Rhein und Donau besaß der Heidengraben also ein großes ökonomisches Potenzial. Der Handel wurde von den am Heidengraben ansässigen Kelten auch sehr emsig betrieben, was zahlreiche Funde von Amphorenresten aus dem Mittelmeerraum belegen.

Besiedlungsstruktur am Heidengraben

Das Gebiet der Elsachstadt ist bis heute am besten untersucht, das sind aber weniger als 10 Prozent des gesamten Areals. Die Elsachstadt durchzog wohl ein dichtes Wegenetz, das von verschiedenen Gebäuden und Speichern flankiert wurde. Allerdings bestand die Elsachstadt und der Heidengraben nur gerade mal 40 Jahre – die Datierung erfolgte über die Amphorenfunde. „Nach derzeitigem Forschungsstand zeigt sich nur eine sehr kurze Nutzungsdauer“, bestätigt Gerd Stegmaier. Warum die aufstrebende Stadt so schnell wieder aufgegeben wurde, ist ein Rätsel.

Außerhalb der Elsachstadt wurde bislang nur wenig geforscht, zahlreiche Lesefunde von Glasobjekten, Gebrauchskeramik oder ebenfalls von Amphorenfragmenten zeugen aber auch hier von regem keltischem Leben. Da der Konsum von Wein der sozialen Oberschicht vorbehalten war und die Kelten laut zeitgenössischen Quellen wie Julius Cäsar in einer sehr strengen hierarchischen Ordnung lebten, ist anzunehmen, dass sich auf dem gesamten Areal des Heidengrabens eine landbesitzende Elite, die in größeren Gutshöfen lebte, die Wege- und Zollrechte teilte. Unter anderem wurden auch mehrere Radnabenstifte gefunden – der keltische Adel fuhr also vermutlich in zweirädrigen Streitwagen über seine Ländereien und sah nach dem Rechten.

Es ist anzunehmen, dass der Heidengraben als wichtiges Stammeszentrum sowohl über große politische und administrative als auch über ökonomische Macht verfügte.

Der Burrenhof als Kultplatz

Zu Großsiedlungen wie dem Heidengraben gehörten immer auch Heiligtümer und Ritualplätze, die zeitlich oft viel weiter zurückreichen und sich auf ältere Grabhügel beziehen. Für den Heidengraben wäre das der Burrenhof als spätbronze- und früheisenzeitliche Nekropole mit seinen zum Teil auch heute noch erkennbaren Grabhügeln. Dort sind Gräber aus der Zeit von 1000 v. Chr. nachgewiesen. „Das jüngste sicher datierbare Grab am Burrenhof stammt ungefähr aus der Zeit um 450 v. Chr., also rund 300 Jahre bevor das Oppidum am Heidengraben gegründet wurde“, sagt Gerd Stegmaier, der seit 2004 immer wieder am Burrenhof geforscht hat. Allerdings wurden auf dem Gelände auch zahlreiche Funde aus spätkeltischer Zeit wie Fibeln und Keramik, aber eben keine spätkeltischen Gräber, nachgewiesen. Der Archäologe ist sich sicher, dass es einst am Burrenhof spätkeltische Brandgräber gab, die aber nicht mehr erhalten sind. Sie wurden vermutlich vom Pflug zerstört oder sind völlig erodiert, da sie nicht so tief eingegraben waren.

Nach den jüngsten Forschungsergebnissen wurde der Burrenhof von den späten Kelten auch für rituelle Handlungen genutzt. So wurden anhand großflächiger geomagnetischer Messungen einige lange lineare Strukturen erfasst, deren Datierung eindeutig spätkeltischer Zeit sind. Vergleicht man das mit Funden aus Frankreich, könnten das Gräben gewesen sein, die für eine Art rituelle ‚Speisung der Ahnen‘ benutzt wurden. Die entsprechenden französischen Gräben sind voll mit Amphoren, Knochen und sonstigen Gaben. Am Heidengraben mit seinem kalkarmen Boden sind aber bislang keine Inhalte wie Knochen nachzuweisen – falls es sie gab, haben sie sich längst zersetzt.

Dennoch nimmt Stegmaier an, dass der Burrenhof der zugehörige Kultplatz der Kelten vom Heidengraben war: „Die späten Kelten am Heidengraben wussten zwar nicht mehr, wer in Grabhügeln bestattet war, akzeptierten aber den Ort als solchen als Ritualplatz und nutzten ihn für diverse sakrale Handlungen.“

Fazit: Der Heidengraben war als Oppidum mit allem ausgestattet, was eine bedeutende keltische Ansiedlung ausmachte – es wird sicherlich noch einiges in dem riesigen Areal im Boden schlummern, man darf also gespannt sein.

Text: Kerstin Dannath nach einem Vortrag von Gerd Stegmaier