Interview mit Prof. Dr. Dirk Krausse über das Keltenjahr 2012
Prof. Dr. Dirk Krausse über das Keltenjahr 2012 und die Kelten als „sympathische Verlierer“
Professor Dirk Krausse ist als Landeskonservator und Referatsleiter des Regierungspräsidiums Stuttgart Koordinator der archäologischen Denkmalpflege im Land. Sein Spezialgebiet ist die Eisenzeit, damit ist er prädestiniert für die Erforschung keltischer Fundstätten wie den Heidengraben. Obendrein obliegt dem gebürtigen Rheinländer seitens des Landes die Abstimmung sämtlicher Aktionen zum Keltenjahr 2012. „Am Heidengraben sollte wieder im großen Stil Forschung betrieben werden“, sagte Dirk Krausse im Gespräch mit Kerstin Dannath.
Herr Krausse, warum sind die Kelten in?
Dirk Krausse: Die Kelten sind eine wunderbare Projektionsfläche für das eigene Vorstellungsvermögen – man weiß über sie relativ wenig, aber immerhin genug um sie fassen zu können. Sie kamen sozusagen aus dem Dunkel der Geschichte und sind eine der ersten Kulturgruppen, deren Name man kennt. Sie bieten sich ausgezeichnet für die professionelle archäologische Forschung an, bieten aber auch immer mehr Menschen Anlass und Gelegenheit sich ehrenamtlich und hobbymäßig mit Archäologie und Geschichte direkt vor der eigenen Haustüre zu beschäftigen. Obendrein haben sie den Touch sympathischer Verlierer.
Wie ist das zu verstehen?
Dirk Krausse: Während die siegreichen Römer eher mit Perfektion und Fortschritt identifiziert werden, umweht die unterlegenen Kelten in der Vorstellung der Leute etwas Ursprünglicheres, Geheimnisvolles und Natürlicheres. Anders als die Germanen, die gerade in Deutschland von Nazi-Propaganda und Nazi-Ideologie missbraucht wurden, kann die Beschäftigung mit den Kelten als viel unbelasteter und unverdächtiger gelten. Dazu passt, dass die groß angelegten Programme zur Erforschung keltischer Fundstätten, etwa des Fürstensitzes Heuneburg oder des Oppidums von Manchings, erst nach dem zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren anliefen. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen die Kelten nicht unbedingt mit jenen archäologischen Kulturen, die zum Beispiel den Heidengraben bevölkert haben, verbinden. Verbunden werden sie heute von Laien mit den Stämmen, die in England, Schottland oder Wales lebten. Diese Gegenden haben als Urlaubslandschaften ein positive Image.
Und nun wurde für 2012 in Baden Württemberg das Keltenjahr ausgerufen.
Dirk Krausse: Die große Landesausstellung „Die Welt der Kelten: Zentren der Macht – Kostbarkeiten der Kunst“, die ab Mitte September in Stuttgart zu sehen ist, ist seit 2008 geplant. Da entstand die Idee über das gesamte Jahr hinweg ein Begleitprogramm auf die Beine zu stellen. Die Vorlaufzeit hierfür war allerdings wesentlich kürzer. Wir als Landesamt für Denkmalpflege haben vor Jahresfrist die Initiative ergriffen und uns mit den Kommunen zusammengesetzt. Die Resonanz war sehr gut. Das zeigt schon allein der Umfang der Infobroschüre mit einer Vielzahl an Aktionen. Wir bieten sozusagen die Plattform für Kommunen und Vereine. Ich bin fast selbst überrascht, dass so viele Veranstaltungen zusammengekommen sind.
Auch am Heidengraben sind einige Veranstaltungen geplant. Ist das ein Chance das ehemalige Oppidum mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken?
Dirk Krausse: Der Heidengraben ist nach §12 der Landesdenkmalschutzgesetzes ein Denkmal von besonderer Bedeutung. Das hat schon einen sehr hohen Stellenwert, höher ist nur noch der Status UNESCO Weltkulturerbe einzuschätzen. Der Heidengraben als größtes Oppidum von der Flächenausdehnung her ist einzigartig. Der Heidengraben ist einfach gigantisch und war vielleicht in früheren Zeiten der zentrale Ort der Kelten für weite Teile der Schwäbischen Alb. Durch die Aktionen wird der Heidengraben mehr in die Köpfe der Menschen gerückt.
Was würden Sie sich denn für die Zukunft des Geländes wünschen?
Dirk Krausse: Einerseits den Schutz, dass zumindest nicht jedes Jahr in den sensiblen Bereichen vieles kaputt gepflügt wird. Andererseits die Fortsetzung der Forschungsarbeiten. Am Heidengraben sollte wieder im großen Stil Forschung betrieben werden. Es wäre vernünftig im Schulterschluss mit der Universität Tübingen die Arbeiten, die es in den 1990er Jahren ja schon einmal gab, fortzusetzen. Das Land hat hierzu aber nicht die nötigen finanziellen Mittel. Es gibt aber Überlegungen zusammen mit der Uni einen gemeinsamen Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu stellen. Das wäre die ideale Kombination von Forschung und Lehre. Bislang ist am Heidengraben nur verhältnismäßig wenig Fläche tatsächlich ausgegraben worden. Allein von der riesigen Gesamtfläche her, können auf dem Areal noch Dinge versteckt sein, von denen wir heute keine Ahnung haben.
Und was ist mit den Bestrebungen ein Besucherzentrum zu errichten?
Dirk Krausse: Wenn es so zu einer vernünftigen Vermittlung des Geländedenkmals und der aktuellen Forschungsergebnisse käme und auch die belange des Denkmalschutz gewahrt bleiben, warum nicht? Aber allein schon aufgrund des gigantischen Geländes müsste man vielleicht auch ganz neue Wege hinsichtlich der Präsentation gehen – das zum Beispiel anhand von GPS-Daten gleich die gewünschten Informationen auf das I-Phone gesendet werden. Die Steuerung müsste dann über das Informationszentrum erfolgen. FAKT (Förderverein für Archäologie, Kultur und Tourismus, Anmerk. der Red.) und die Bürgermeister von Erkenbrechtsweiler, Hülben und Grabenstetten sind hier auf einem guten Weg die Kräfte zu bündeln. Man muss immer auch schauen, dass man die Kosten auch dauerhaft schultern kann und ein Konzept finden, um die Betriebstragfähigkeit zu sichern. Hierfür sind die Voraussetzungen am Heidengraben gut.
Das Interview führte Kertin Dannath