Der silberne Halsring von Trichtingen

Ein Ring für die Götter? Der „Silbertorques“ von Trichtingen

Der silberne Halsring von Trichtingen gehört zum Wertvollsten was das Württembergische Landesmuseum an Fundstücken aus spätkeltischer Zeit besitzt. 1976 schaffte es der „Silbertorques“ (von lateinisch torquere = „drehen“) sogar auf eine Briefmarke einer Serie der deutschen Bundespost mit dem Titel „Archäologisches Kulturgut“. Zuletzt war er bei der großen Landesausstellung „Die Welt der Kelten“ in Stuttgart zu sehen.

Fast sieben Kilo, um genau zu sein 6774 Gramm, wiegt das gute Stück. Die Gewichtsangabe macht das Staunen über diesen riesigen silbernen Halsring noch größer. Menschen, zumal sie früher wesentlich kleiner waren als heute, können ihn unmöglich angelegt haben. War er einem Gott geweiht? Dann muss dessen Statue aber im Gegensatz zu allen bisher bekannten keltischen Götterfiguren riesig gewesen sein. Und wen hätte ein solches Bildnis darstellen können?

Gefunden wurde der Silberring am 12. März 1928 eher zufällig in nur 30 bis 40 Zentimeter Tiefe bei Trichtingen im Landkreis Rottweil bei Entwässerungsarbeiten. Die drei Tagelöhner, die den bedeutenden Fund machten, wurden sich schnell uneins über das weitere Vorgehen und das Stück wurde verkauft. Über Umwege landete es schließlich in Stuttgart. Eine grobe Untersuchung der Umgebung ergab keine weiteren Funde, so dass der Silberring von Trichtingen bis heute ein Einzelfund geblieben ist. Allerdings ist in der Umgebung des Fundplatzes eine römische Straße bekannt, die eine Verbindung zwischen den Kastellen Sulz und Rottweil herstellte.

Ein Meisterwerk der Silberschmiedekunst

Zugeordnet wird der „Silbertorques“ in die Latènezeit, also etwa ab dem 450 v. Chr. bis ins erste nachchristliche Jahrhundert. „Der Fundort liegt ganz zentral im Verbreitungsgebiet der Spät-Laténe-Zeit““, sagt Thomas Hoppe vom Landesmuseum Württemberg. Der äußere Durchmesser des Rings umfasst 29,7 Zentimeter, sein innerer nur knapp 17 Zentimeter. Der Ring hat eine Öffnung, an den Ringenden befindet sich jeweils ein Stierkopf. Der Halsring besteht zu über 97 Prozent aus hochreinem Silber. Das hohe Gewicht entsteht dadurch, dass der Ring einen Eisenkern hat.

Die künstlerische Ausgestaltung ist aufwendig, allein die Stierköpfe, die übrigens nicht exakt gleich gearbeitet sind, sind sehr realistisch dargestellt und zum Beispiel mit einzelnen Locken verziert. Auch der Ringkörper ist mit verschiedenen Ornamenten mit Zopfmustern geschmückt. Die Herstellungstechnik war sicherlich aufwendig. „Es wurde zuerst der Eisenkern geschmiedet, es folgte ein mehrstufiges Verfahren, das seinesgleichen sucht“, so Thomas Hoppen, „Der Ring ist ein wahres Meisterwerk der Silberschmiedekunst.“

Funktion und Herkunft unbekannt

Über Funktion und Herkunft des Stücks rätseln die Experten bis heute. Bekannt sind ähnliche Fundstücke aus den Prunkgräbern der späten Hallstattzeit wie aus Hochdorf oder aus Bad Cannstatt. Zudem tragen keltische Skulpturen wie der „Krieger von Hirschlanden“, der vermutlich aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. stammt, oder der „Fürst von Glauberg“, der auf das 5. Jahrhundert v. Chr. datiert wird, solche Ringe um den Hals. „Allerdings ist der Ring von Trichtingen definitiv zu eng, um ihn über den Kopf zu ziehen“, sagt Thomas Hoppe.

Solche Torques werden heute als Standesabzeichen einer frühkeltischen Elite angesehen und als Schmuck für mutige Krieger, letzteres wird als Merkmal der keltischen Krieger auch in den antiken Schriftquellen erwähnt. Solche Ringe wurden aber auch den Göttern als Dank für eine siegreiche Schlacht geopfert. In Römischer Zeit wurden Torques später oft als Orden und Ehrenabzeichen für verdienstvolle Soldaten verliehen. In der Spätantike wurden sogar römische Kaiser im Rahmen ihrer Erhebung oft mit einer Torques statt mit einem Diadem gekrönt. Einige Experten glauben, dass solche Ringe auch als Schwurringe benutzt worden sind. Sie beziehen sich dabei auf Götterdarstellungen aus spätkeltischer Zeit, die Ringen um den Hals oder in der Hand haben.

Vergleichsstücke aus dem hohen Norden und aus dem Osten

Es gibt auch einige archäologische Vergleichsstücke wie zum Beispiel den im Jahre 1891 in Dänemark gefundenen „Silberkessel von Gundestrup“. Er besteht ebenfalls auch hochreinem Silber und zeigt Abbildungen von Menschen und Fabelwesen, die zum Teil solche Halsringe tragen. Auch Reliefs aus dem fernen Persepolis, der antiken persischen Hauptstadt, zeigen Personen, die Ringe mit Stierkopfenden in der Hand tragen. „Darstellungen von Stieren gibt es im Osten und im Westen“, sagt Thomas Hoppe. Eine ähnliche Herstellungstechnik ist auch bei Silberschalen vom sogenannten Typ Velden festzustellen, die aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. stammen. „Aufgrund dieser Vergleichsmerkmale wird der Ring von Trichtingen auf das erste Jahrhundert v. Chr. datiert“, so Thomas Hoppe, „In puncto Herkunft und Datierung ist der Ring von Trichtingen aber ein Fund ohne Parallelen.“

Wie besagter Ring also ausgerechnet nach Trichtingen gekommen ist, wird wohl ein Rätsel bleiben. Hinweise auf ein Heiligtum in der Umgebung gibt es nicht. Es könnte auch sein, dass der Ring dort nur versteckt wurde. Dass er schräg in der Erde gefunden wurde, könnte ebenso darauf hindeuten, dass das Stück einfach verloren wurde.

Text: Kerstin Dannath

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