Portrait über den „Ackerläufer“ Achim Lehmkuhl

Wenn das Wetter so richtig mies ist, zieht er seine Runden: Achim Lehmkuhl ist seit nunmehr fünfzehn Jahren vom Heidengraben und seiner Geschichte fasziniert und versucht, auf der landwirtschaftlich intensiv genutzten Fläche zu retten, was zu retten ist. „Die besten Funde macht man bei schlechtem Wetter“, bestätigt der 49-Jährige, der mit seiner Lebensgefährtin Christel Bock in Bempflingen wohnt und in der Region auch unter seinem Spitznamen „Ackerläufer“ bekannt ist. Um Gold und Edelsteine geht es dem paläontologischen Präparator am Stuttgarter Naturkundemuseum dabei allerdings nicht. Seine „Schätze“ sind Glasperlen, Scherben, Alltagsdinge wie Mühlsteine oder Überbleibsel landwirtschaftlicher Geräte sowie Strukturen im Boden, die auf eine keltische Besiedlung schließen lassen.

„Ich hatte schon immer ein Faible für Altes“, sagt Achim Lehmkuhl, der schon als kleiner Junge auf dem Schulweg Fossilien sammelte und sie stolz seinen Lehrern präsentierte. Aus diesem Interesse ist später sein Beruf geworden, privat hat er dann im Laufe der Zeit sein Herz an die Kelten und speziell an jene, die um etwa 100 vor Christus den Heidengraben auf den Gemarkungen der heutigen Gemeinden Hülben, Grabenstetten und Erkenbrechtsweiler besiedelten, verloren.

Der Mann mit dem Ausweis

Anfangs war es für Achim Lehmkuhl unvorstellbar, dass der Heidengraben in archäologischer Sicht praktisch brachlag und sich niemand um das einmalige Kulturdenkmal kümmerte. „Ich dachte, da oben läuft alles rund und konnte mir absolut nicht vorstellen, dass es keine kontinuierliche archäologische Betreuung des Gebiets gibt“, bestätigt er. Ziemlich schnell machte der gebürtige Albstädter, der seine Kindheit in Norddeutschland verbrachte, den Heidengraben zum Schwerpunkt seiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Mit offiziellem Ausweis des Regierungspräsidiums Stuttgart ausgestattet, ist Achim Lehmkuhl zum Beispiel berechtigt, bei Bedarf eine Notgrabung anzusetzen, wenn bei einer Baumaßnahme Geschichtsträchtiges ans Tageslicht kommt.

Auch Raubgräberei versucht er zusammen mit weiteren Mitstreitern zu verhindern. „Das ist wirklich ein Problem am Heidengraben. Diese Leute sind auf der Suche nach Münzen oder Ähnlichem, das sie dann an Sammler verkaufen“, so Achim Lehmkuhl. Münzen und Co. sind dort oben aber nur in eher kläglicher Anzahl zu finden, vielmehr zerstören die Raubgräber mit ihren Metalldetektoren – deren Benutzung übrigens in Baden-Württemberg verboten ist – wichtige Zusammenhänge im Boden. Dabei geht es um elementare Fragen, zum Beispiel „Wie haben die Kelten im Heidengraben gelebt?“ oder „Wie sahen ihre Behausungen aus?“.

„Amphorenreichstes Oppidum nördlich der Alpen“

Achim Lehmkuhl hat bei seinen Begehungen schon viele Dinge aus dem Heidengraben vor der Zerstörung durch Frost und Pflug gerettet und dabei auch schon herausgefunden, dass die Kelten von der heutigen Vorderen Alb keine Kostverächter waren: Bisher belegen Scherben von mehr als 120 verschiedenen Amphoren, dass über drei Tonnen Wein – direkt vom Mittelmeer herangekarrt – verkonsumiert wurden. „Der Heidengraben ist sozusagen das amphorenreichste Oppidum nördlich der Alpen“, grinst Achim Lehmkuhl. Die zahlreichen Amphoren-Funde belegen aber gleichzeitig, dass die Kelten schon damals über eine gut organisierte Struktur der Handelswege verfügt haben müssen. Sein größter und schwerster Lesefund war im Frühjahr 1998 ein komplett erhaltener Drehmühlstein, der mittlerweile beim Referat für Denkmalpflege in Tübingen gelagert ist. „Der Mühlstein ist ein außerordentliches Kulturdenkmal und zeigt, dass die Kelten für die Herstellung solcher Mühlsteine eine regelrecht normierte Produktionstechnik hatten“, erklärt Achim Lehmkuhl.

Die große Anzahl und vor allem die hohe Wertigkeit seiner Funde haben nun die Universität Tübingen dazu bewegt, in diesem Sommer eine Lehrgrabung durchzuführen. In erster Linie geht es den Wissenschaftlern zwar darum, den Erst- und Zweitsemestern Grabungstechniken und Dokumentationsmethoden beizubringen, nebenbei wird aber dann erstmals seit vielen Jahren wieder eine wissenschaftliche Grabung im Kerngebiet des Heidengrabens, der sogenannten „Elsachstadt“, durchgeführt.

Vielleicht wird diese Maßnahme wieder ein wenig mehr Licht ins Dunkel bringen – denn viele wesentliche Fragen, wie zum Beispiel, warum die „Elsachstadt“, deren Bevölkerung auf mehrere tausend Einwohner geschätzt wird, nach nur kurzer Zeit wieder aufgegeben wurde, warten immer noch auf eine Antwort. Der „Ackerläufer“ wird jedenfalls vor Ort sein – egal ob es regnet oder schneit.

Internet: www.heidengraben-oppidum.de

Text: Kerstin Dannath