Lehrgrabung 2015 beim Burrenhof
Bahnbrechende Erkenntnisse über die Kelten
Dass das bronze- und eisenzeitliche Gräberfeld beim Burrenhof und der Heidengraben Kulturdenkmale von außergewöhnlichem, gar europäischem Rang sind, ist bekannt. Bei der jüngsten Lehrgrabung der Universität Tübingen in diesem Sommer wurde mit Belegen, dass der Burrenhof vermutlich über eine Zeitraum von 1000 Jahren hinweg genutzt wurde, das Alleinstellungsmerkmal weiter untermauert. „Für uns Archäologen ist das Hammer“, freut sich der verantwortliche Grabungsleiter und Heidengrabenexperte Gerd Stegmaier.
„Bislang hatten wir keine Anhaltspunkte, welche Rolle der Burrenhof zur Zeit der späten Kelten, also zur Blütezeit des großen Oppidums, spielte“, erklärt Stegmaier, „Die neuen Befunde schließen die Lücke.“ Nördlich der Straßenkreuzung knüpfte Gerd Stegmaier in diesem Sommer zusammen mit sieben Studenten der Uni Tübingen an die Lehrgrabung des Vorjahres an. Dort hatte er zwischen den bereits bekannten Grabhügeln kleine Flächen aufgehabt, das schlechte Wetter 2014 ließ die Arbeiten nicht zum Abschluss kommen.
Bis heute sind auf dem gesamten Gelände knapp 40 Grabhügel bekannt, ursprünglich ist aber von einer viel größeren Anzahl auszugehen. Zwischen den großen Grabhügeln liegen aber nicht nur zahlreiche weitere Brandgrubengräber der späten Bronze- (1200 bis 800 v. Chr.) und frühkeltischen Zeit (800 bis 450 v. Chr.) sondern auch weitläufige Grabenanlagen, die sehr wahrscheinlich eine rituelle Funktion hatten. Auch sie wurden bei den jüngsten Untersuchungen partiell untersucht. „Diese Grabenanlagen datieren wohl in die spätkeltische Zeit, kurz vor die Entstehung des Oppidums beziehungsweise in die Zeit des Heidengrabens im zweiten und ersten Jahrhundert vor Christi“, so der Archäologe weiter, „Solche Grabenanlagen sind bislang noch von keinem anderen Bestattungsplatz Süddeutschlands bekannt.“
Nicht nur für Baden Württemberg einmalig
Bereits im vergangenen Winterhalbjahr wurden mit geomagnetischen Messungen zwei im Abstand von 11 bis 12 Meter, parallel verlaufende Gräben entdeckt. Diese konnten bislang auf einer Länge von rund 350 Meter erfasst werden. Diese Gräben kommen aus südwestlicher Richtung und führen direkt ins Zentrum des Gräberfelds. „Obwohl Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind beziehungsweise noch am Anfang stehen, erinnert der Befund bereits jetzt an eine große ‚Prozessionsstraße‘, die einen rituellen Weg markiert“, erklärt Stegmaier und fügt hinzu: „Das ist nicht nur für Baden-Württemberg einmalig.“
Dazu kommt die Entdeckung einer etwas über neun Quadratmeter großen, rechteckigen Grube, inmitten des viel älteren Gräberfelds. Diese Grube war etwa 40 Zentimeter in den Boden eingetieft und in ihrer Mitte befand sich eine Feuerstelle in deren Umkreis sich neben Holzkohleresten auch zahlreiche verbrannte und unverbrannte Knochen befanden. „Wir haben Schaf, Ziege und eventuell auch Schwein auf den ersten Blick identifiziert, vielleicht sind aber auch menschliche Knochen darunter, hier steht die abschließende Untersuchung aber noch aus“, sagt Stegmaier.
Auch rund ein Dutzend Tongefäße sowie mindestens acht Gegenstände aus Eisen, darunter ein kleines Messer, wurden gefunden. Dazu kommen verschiedene weitere Objekte, aus denen eine kleine Silbermünze, ein sogenannter Silber-Quinar mit gut erkennbarer Pferdchenprägung herausragt. Auch Alltagsgegenstände wie ein Spinnwirtel ließen sich bislang klassifizieren.
Erste Hinweise auf den Totenkult der späten Kelten
Für die Archäologen ergeben sich aus den Funden und ihrer der Datierung aus der spätkeltischen Zeit (2./1. Jh. v. Chr.) sowie dem absichtlichen Verschluss der Grube mit Holz und Steinen eindeutige Hinweise auf eine Nutzung als Opferplatz mit für den südwestdeutschen Raum einmaliger Ritualstruktur. Stegmaier vermutet, dass die Grube in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bestattungs- und Totenkult der späten Kelten steht, über den bislang so gut wie nichts bekannt ist. „Der Befund gibt erstmals Einblicke in die Opferbräuche und Opferpraktiken der spätkeltischen Zeit“, bestätigt Stegmaier stolz. Aufgrund der Lage der kleinen Heiligtums inmitten des viel älteren Gräberfelds nimmt der Befund direkten Bezug auf die großen Grabhügel aus frühkeltischer Zeit und lässt auf eine Art Ahnenkult an den alten Hügelgräbern schließen.
Das ein Gräberfeld mehr als 1000 Jahre – genauer zwischen 1200 v. Chr. und 100 v. Chr. – immer wieder als Bestattungs- und Ritualplatz genutzt wurde, ist von keiner anderen Fundstelle in Südwestdeutschland bekannt. Stegmaier geht davon aus, das der Burrenhof immer wieder als Versammlungs- und Ritualplatz diente und so eventuell überhaupt erst zur Gründung des großen Oppidums mit seiner außergewöhnlichen Lage auf der Albhochfläche beigetragen habe. „Aber wir sind erst an der Spitze des Eisbergs, in Zukunft dürfen wir noch viel mehr außerordentliche Befunde erwarten, die uns noch mehr Aufschluss geben werden“, kündigt Stegmaier, der seine Untersuchungen im kommenden Jahr fortsetzen will, an.
Über Spenden finanziert
Die Lehrgrabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen wurden nahezu vollständig über Spenden durch den Förderverein für Archäologie, Kultur und Tourismus (FAKT) sowie durch den Förderverein Heidengraben finanziert. Darüber hinaus spendeten Christel Bock und Achim Lehmkuhl einen Teil ihres Preisgeldes, das sie 2015 im Rahmen der Verleihung des Landesarchäologiepreises Baden-Württemberg erhalten hatten, für die Arbeiten.
Die parallel vom Landesamt für Denkmalpflege direkt am Burrenhof zwischen den in den 1980er Jahren wieder aufgeschütteten Grabhügeln durchgeführte Grabung brachte bis Anfang September noch keine herausragenden Erkenntnisse. Allerdings dauern die Arbeiten, die vor allen Dingen der Sicherung eventueller Befunde auf dem Gelände des geplanten Erlebnisfeldes am Heidengrabenzentrum dienen soll, noch bis Oktober an.
Text: Kerstin Dannath